„Dann gehen wir Austern essen im Kempinski“: die Klasse 11a der DSB trifft Angela Merkel
„Dann gehen wir Austern essen im Kempinski“: die Klasse 11a der DSB trifft Angela Merkel
Angela Merkel war 16 Jahre lang Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Politik hat das Land wie auch Europa nachhaltig geprägt; sie war zugleich die erste Frau in diesem Amt, Zeitzeugin der DDR, und vor allem ein Mensch, der sich insbesondere einem Wert verschrieben hat, dem der „Freiheit“. So auch der Titel ihrer nun ebenfalls ins Ungarische übersetzten Autobiographie „Szabadság“. Im Rahmen ihrer Buchpremiere in Ungarn besuchte Merkel am 1. Oktober 2025 das Goethe-Institut (👉 Goethe-Institut Budapest), um mit ungarischen Schüler*innen in Austausch zu treten und ihnen die Möglichkeit zu geben, politische sowie auch persönliche Fragen zu stellen. Neben dem Deutschen Nationalitätengymnasium (Budapest) und dem Friedrich-Schiller-Gymnasium (Pilisvörösvár) wurde auch die Klasse 11a der Deutschen Schule Budapest für dieses einmalige Erlebnis ausgewählt. Auf der Bühne durften unsere Schülerinnen Panna Posztl und Emma Kliegl Frau Merkel mit den teils politisch hoch aktuellen, teils privaten Fragen konfrontieren, die sie zuvor zusammen im Klassenverband erarbeitet hatten. Sehr souverän und neugierig führten die beiden Interviewerinnen das Gespräch.

Schnell wurde auch uns, dem Publikum, klar, dass wir hier eine ehemalige Politikerin sehen, die ganz Mensch ist, ehrlich, offen, auf Augenhöhe, nichts beschönigt, aber immer wieder dazu appelliert, optimistisch in die Zukunft zu blicken- ohne Angst. Die Themen reichen von der Staatswirtschaft Chinas, der Spaltung Deutschlands durch die AfD, dem russischen Krieg gegen die Ukraine, dem Klimawandel, der Willkommenskultur in Deutschland über ihre Lebensgeschichte als Staatsbürgerin der ehemaligen DDR hin zum Frausein in der Politik. Dabei erzählt Merkel von witzigen Anekdoten, wie beispielsweise als ein Junge sie in ihrer Amtszeit fragte: „Kann man eigentlich auch als Mann Bundeskanzler werden?“. Vor allem an unsere Schülerinnen appelliert sie eindrücklich, nicht sein bzw. vielmehr ‚ihr‘ „Licht unter den Scheffel zu stellen“ und macht ihnen Mut, Führungsrollen zu übernehmen. So hat sie in ihrer Karriere am Ende schließlich festgestellt: „alle kochen nur mit Wasser“ –Merkel trifft den Nerv der anwesenden Schüler*innen bzw. jener Generation junger Menschen, die in alldem Dickicht von Instagram und Perfektionsstreben ein „Das kannst du auch, was die anderen können!“ (eine weitere von Merkel im Laufe des Gesprächs erwähnte Lebensweisheit) als Ermutigung auffassen dürfen.

Es scheint, dass es ein Herzensthema gibt, auf welches Merkel die Fragen der Schüler*innen immer wieder geschickt zurücklenkt: die „Seele Europas“. Dabei spricht sie mehr als nur über die wirtschaftliche und militärische Stärke Europas, welche sie immer wieder als Notwendigkeit betont; vielmehr bezeichnet sie die Staatengemeinschaft der EU als „existenziell“, und spricht immer wieder das Publikum – unsere Schüler*innen- direkt an: die EU stehe für „Vielfalt“, „Gemeinsamkeit trotz unserer Unterschiede“, die Notwendigkeit von Empathie und Solidarität, Toleranz, Offenheit. Die Aufgabe der anwesenden Jugendlichen bestehe nun laut Merkel darin, sich immer wieder „Plätze zu suchen, wo verschiedene Gruppen zusammenkommen“, um so ein Meinungsmonopol klar zu verhindern und den Austausch von verschiedenen bunten Ansichten zu stärken. Einst als „angelernte Deutsche“ beschuldigt, gibt Merkel den Schüler*innen private Einblicke in ihren eigenen Kampf mit Vorurteilen, und appelliert an die junge Generation, nicht zu pauschalisieren, „sich gegenseitig zu helfen“, „keine Vorurteile gegeneinander wieder aufzubauen“, denn „aus Worten entwickeln sich Taten“; „innovativ“ zu sein, sich „anzustrengen“. Als Merkel über ihr Leben in der ehemaligen DDR spricht, lernen die Jugendlichen die private Frau kennen, die jene Werte, die sie unerlässlich betont, durch eigene Erfahrung errungen hat. So rührt es das Publikum, als sie erzählt, dass ihre Mutter in der DDR immer wieder davon geträumt hatte, dass sie, sollte es zu einer Grenzöffnung kommen, „Austern im Kempinski“ (einem Restaurant in Westberlin) essen möchte. Diese Sehnsucht nach Freiheit, sein/ihr Leben nach seiner/ihrer Neigung zu gestalten, ohne Eingriffe befürchten zu müssen findet Resonanz im Publikum vor Ort, überhaupt bei der jungen Generation. Als Lehrerin, die unsere jungen Schüler*innen der 11a auf der Bühne, im Publikum beobachtet, wie sie fasziniert zuhören, frage ich mich: Was ist eure Sehnsucht? Was sind eure „Austern im Kempinski“? Und in den Blicken sehe ich, wie jede/r für sich selbst gerade dabei ist, ihre/seine ganz eigene Antwort auf diese Frage zu formen.

Vielen Dank an Frau Győri-Posztl und an das Goethe-Institut Budapest für diese einmalige Chance, die den Jugendlichen für immer im Gedächtnis bleiben, und wer weiß, vielleicht sogar prägend sein wird.
Julia Eipper (Klassenlehrerin 11a)